Unser Stadtteil

Georg-Wilhelm-Straße, 1962
Fässer Wollberg, 1962
Kirchdorf Süd, ca. 1970
"Schule Neuenfelder Straße" vor dem Umbau

Der Stadtteil Wilhelmsburg


Lage und historische Bedeutung
Wilhelmsburg ist eine der größten Flussinseln Europas und diejenige mit den meisten Einwohnern. Sie liegt in unmittelbarer Nähe zum Hamburger Hafen, nur zwei S-Bahn-Stationen vom Hauptbahnhof entfernt. Bis zum 19. Jahrhundert lebten seine Bewohner von der Landwirtschaft, vor allem vom Verkauf von Milch und Milchprodukten im nahen Hamburg. Sie hatten wegen der tiefliegenden Gebiete und der unmittelbaren Nähe zur Elbe immer wieder mit gewaltigen Überschwemmungen zu kämpfen.

Historische Bedeutung erlangte die Insel erstmals im Jahr 1672, als Herzog Georg Wilhelm von Celle sie kaufte, um seine Tochter Sophie Dorothea standesgemäß auszustatten. Deren Ehe verlief ausgesprochen unglücklich, ihre beiden Kinder erreichten jedoch Schlüsselpositionen in im Hochadel: ihr Sohn gelangte als Georg II. auf den englischen Königsthron und gilt als der Urvater des heutigen englischen Königshauses, ihre Tochter heiratete  Friedrich Wilhelm I., König in Preußen, genannt der  Soldatenkönig, und wurde Mutter von Friedrich dem Großen.

Kampf gegen das Hochwasser
Der ständige Kampf der Bewohner gegen das Hochwasser erforderte Jahrhunderte lang höchsten Einsatz. Um die tiefliegende Insel zu schützen, wurden immer wieder neue Deiche gebaut, bis das Land in der Mitte des 19. Jahrhunderts schließlich als sicher galt. Ein Trugschluss, wie sich 1962 herausstellte: bei der großen Flut brachen die Deiche, was hier fast 300 Menschen das Leben kostete.

Industrialisierung
Eine wirklich große Veränderung erlebte Wilhelmsburg in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Damals verzeichnete der Hamburger Hafen einen rasanten Aufschwung, weil er als Freihafen eingerichtet wurde. So konnten die angelieferten Waren zollfrei gelagert und weiter verschifft werden, was für Kaufleute außerordentlich attraktiv war. In der Folge wurden zusätzliche Hafenarbeiter benötigt – der Zustrom von Arbeitskräften, auch aus dem Ausland, vor allem aus Polen, war enorm. Sie benötigten Wohnraum, möglichst in Arbeitsplatznähe, und so widmete man große Flächen des landwirtschaftlichen Gebietes um und baute Mietwohnungen und Versorgungseinrichtungen. Die Gründerzeithäuser im Wilhelmsburger Westen geben noch heute Zeugnis von dieser Epoche - und auch die katholische Kirche und die Schule St. Bonifatius, denn die vielen zugereisten Polen waren Katholiken.

Große landwirtschaftliche Flächen wurden außerdem der Ansiedlung von Fabriken und der Erweiterung der Hafenanlagen geopfert. Der wirtschaftliche Aufschwung im Industriezeitalter erforderte seinen Tribut – eine Entwicklung, die auch heute noch anhält.

Lage der Schule
Die Nelson-Mandela-Schule befindet sich im Wilhelmsburger Osten, der seine ländliche Prägung noch nicht ganz verloren hat.
Die Schule wurde 1939 erbaut, als kinderreiche Familien in eine neue Siedlung von Einzel- und Doppelhäusern zogen, die auch heute noch die Schule umgeben. Diese einfach ausgestatteten Fachwerkhäuser im ehemaligem Flußlauf wurden bereits 1932 als Hafenarbeitersiedlung geplant, dann aber von den Nationalsozialisten als soziales Vorzeigewerk genutzt. 1934 schufteten junge Männer im Reichsarbeits-Zwangsdienst bei der Entwässerung des Gebiets, 1936 feierte man Richtfest. Hermann Göring, führender Nazi und Kriegsverbrecher, gab der Siedlung seinen Namen, ebenso der Schule.
Nicht weit von unserer  Schule entfernt liegt der alte Dorfkern von Kirchdorf, mit Kirche, Friedhof und einem Rest des Schlosses, in dem heute das Heimatmuseum untergebracht ist. Hier findet man noch reetgedeckte Fachwerkhäuser und Kopfsteinpflaster, also eine dörfliche Beschaulichkeit, die im industriegeprägten Westen fehlt. Im nahen Kirchdorf-Süd ändert sich das idyllische Bild jedoch schnell. In diesem Trabantenviertel prägen 10geschossige Hochhäuser das Bild – ein Stadtviertel vom Reißbrett, das Mitte der 70er Jahre auf die Wiese gesetzt wurde: Heimat für tausende Menschen. Doch das Naturschutzgebiet Heukenlok mit seinen Tidenauwäldern ist von dort wieder nur einen Steinwurf entfernt.


Insel der Vielfalt
So bleibt Wilhelmsburg eine Insel der Gegensätze, und das wird von staatlicher Seite zunehmend als Standortvorteil erkannt. Früher galt es als Hamburgs Problemviertel schlechthin – dank eines hohen Anteils an Sozialwohnungen und seiner unmittelbaren Nähe zum Hafen mit Umwelt verschmutzenden Betrieben und großen Verkehrsachsen nebst entsprechendem Schwerlastverkehr. Auch der Skandal um die Mülldeponie Georgswerder, die in den 80er Jahren die Obstgärten der angrenzenden Bewohner mit Dioxinen verseuchte, konnte das Image nur verschlechtern.

Heute hat sich die Situation deutlich gebessert. Dank umweltschützender Auflagen wurde die Belastung verringert, und auch die Mülldeponie grüßt mit nachhaltigem Bewuchs und drei fröhlichen Windrädern auf dem Gipfel. Durch die Internationale Gartenschau und die Internationale Bauausstellung, die für 2013 nach Wilhelmsburg vergeben wurden, floss viel Geld in den Stadtteil, was weitreichende Strukturveränderungen ermöglichte.  So sollen Bereiche, die noch vor wenigen Jahren als Schmuddelecken hingenommen wurden, für neue Bevölkerungsschichten attraktiv gemacht werden. Wohnen am Wasser, Niedrigenergiehäuser, ein großer Park - die Liste kann fortgesetzt werden.

Wilhelmsburg war zwar schon immer irgendwie interessant, musste aber entdeckt werden. Heute wird es aufgemöbelt, und bald gibt es sicherlich viele Menschen, die seine Vorteile lauthals preisen: als vielschichtiger Stadtteil in Zentrumsnähe, der gerade aus der Vielfalt seine Dynamik zieht.

 

Fotos (1) bis (6): MUSEUM ELBINSEL WILHELMSBURG e.V.