Unterdrückung! - Theater am Nikolaus-Tag

Fotos: FRÖ

Möglich, dass sich Nelson Mandela gefreut hätte über das, was an der Schule in Wilhelmsburg, die seinen Namen trägt, am 6. Dezember gezeigt wurde: Ausgerechnet am Nikolaustag verwandelten alle Schüler und Schülerinnen der Oberstufe (sowie einige Klassen der Mittelstufe), die Theaterunterricht haben, ihre Schule in einen Ort mit Bühnen an allen Ecken und Enden.

Nicht nur in der Aula, auf Fluren und Treppen, im Arbeitslehre-Trakt, in Klassenräumen und im Foyer vor der Cafeteria zeigten über hundertfünfzig Mitwirkende, wie sie mit dem vorgegebenen Thema „Unterdrückung“ umgegangen waren. Innerhalb von drei Monaten mussten sie Ideen sammeln, Szenen entwerfen, Figuren erfinden und Rollen einstudieren.

Am Donnerstag, den 6.12.2018 um 18 Uhr wurden nach einem langen Probentag die Tore für das Publikum geöffnet, das in kleinen Gruppen von je zwei Lotsen - den Jüngsten unter den Beteiligten - von Spielort zu Spielort geführt wurde.

Neun Orte, mehr als 20 Szenen, keine länger als einige Minuten:
Die Jugendlichen erzählten, wo sie heute - in ihrer eigenen Gegenwart - Unterdrückung sehen.

Die Frau gehört in die Küche.
Die Frau gehört an den Herd.

Die Frau muss das Haus sauber halten.
Die Frau muss den Mann auf Trab halten.

Die Frau gehört ins Haus.
Die Frau gehört dem Mann.

Die Frau muss auf die Kinder aufpassen.
Die Frau muss.


Mit diesen eindringlichen Worten eröffnete ein Schüler des Abiturjahrgangs die erste Szene in der Aula. Was dann folgte, war bis zum Schluss, einer großen Flughafen-Sequenz, bissig, schmerzhaft und manchmal anrührend traurig.

Da ist der Junge, der unbedingt Tänzer werden will und sich gegen den heftigen Widerstand der Eltern behauptet, da sind die beiden Freunde, die ihre Liebe zueinander entdecken und sie nicht verstecken wollen, das sind die schwarzen Freundinnen, drei Hamburgerinnen, die sich entsetzlich dumme Bemerkungen gefallen lassen müssen („Ihr seht doch alle gleich aus!“/„kommt ihr alle aus Afrika?“/„Wieso sprecht ihr so gut deutsch?“), die ihre Freude am gemeinsamen Gesang dennoch nicht verlieren. Da ist das Mädchen mit dem Kopftuch, das von anderen skeptisch beäugt und herablassend behandelt wird.

Da sind lauter kleine und größere Formen alltäglicher Unterdrückung, die die Mitwirkenden, 12 bis 17 Jahre alt, mit soviel Power und Witz vorführen, dass das Publikum hin- und hergerissen wird zwischen Gelächter und Erschrecken.

Die Theaterlehrer der Nelson-Mandela-Schule haben unter der Leitung von Karen Friedrich mit diesem Thema einen wunden Punkt getroffen und mit dieser Form eines Spaziergangs durch die ganze Schule einen überzeugenden Weg, das Publikum mitzunehmen und zu berühren. Ernsthaft!

Ein mutiges, ein gelungenes Experiment.

HP